Gerda, Ursula, Marie -

Sprachliche und musikalische

Repräsentation stereotyper Vorstellungen

im

nationalsozialistischen Liedgut

  Inhalt
   
1 Einleitung
1.1 Die Schritte
1.2 Die Theorien
1.3 Die Quellen
   
2 Der Textkorpus
2.1 Die erste Umwandlung
2.1.1 Die Voraussetzungen
2.1.2 Die Liste
2.1.3 Der Computer
2.1.4 Das Alphabet
2.2 Die zweite Umwandlung
2.2.1 Die Tabelle
2.2.2 Die Interpretation
2.3 Das morphosyntaktische Inventar
2.3.1 Der Duden
2.3.2 Leonard Bloomfield
2.4 Die Statistik
2.5 Die Unflektierbaren
2.5.1 Die Präpositionen
2.5.2 Die Konjunktionen
2.5.3 Die Partikeln
2.5.4 Die Adverbien
2.6 semantisch vs. subsemantisch
2.7 Die Wortfeldtheorie
2.8 Die Flektierbaren
2.8.1 Die Verben
2.8.2 Die Substantive
2.8.3 Die Adjektive
2.8.4 Die Artikel und Pronomen
2.9 Die Wortfelder
2.10 Element vs. Text
2.11 Die Wiederherstellung
   
3 Die Stimmen
   
4 Zusammenfassung
   
5 Literaturverzeichnis
1 Einleitung [nach oben]

Das Interesse am Nationalsozialismus kann nicht allein auf den Blutdurst und die Grausamkeiten dieser Zeit zurückzuführen sein. Die Menschen verachtende Rohheit 'Großdeutschlands' ist allerdings nicht ausblendbar und wird dem analytischen Blick auf literarische Zeugnisse unverschleiert dargeboten. Allerdings finden die destruktiven Absichten der Nationalsozialisten bei Betrachtung des historischen Liedgutes ihren Niederschlag in Literarizität als Ausdruck von Kunst, wo unverhohlene Gewaltbereitschaft an Mechanismen der Ästhetik sich koppelt.

Sprachlicher Organisation ähnlich ist das Phänomen Musik syntaktischen Ordnungen subsumierbar, nach welchen alle Einzelelemente des Systems sich gliedern. Noten und Töne hätten dann den Stellenwert von Phonemen oder gar Morphemen, Melodien als von Takt und Harmonie abhängige Größen würden Sätzen als komplexeren Einheiten von Syntax und Semantik nahestehen.

Diese Übereinstimmungen zweier unterschiedlicher Formen menschlichen Ausdrucks werden der Beleuchtung sprachlicher Gegebenheiten zugutekommen, sollen aber nicht dahin führen, dass Gesetzmäßigkeiten nationalsozialistischer Musik genauso gründlich dargelegt werden wie die Mechanismen dieser Sprache.

1.1 Die Schritte [nach oben]

Bei der Annäherung an den Textkorpus der zu untersuchenden Lieder nach Kriterien der Grammatik wird zunächst nicht das einzelne Gedicht im Zentrum stehen, sondern die Gesamtheit aller Wörter. Die Lieder werden zur Feststellung des Wortvorkommens in einzelne Wörter zerlegt und neu (alphabetisch) angeordnet. Hierdurch wandelt sich der Korpus als Textgesamtheit in ein Corpus als Wörtergesamtheit, welche das morphosyntaktische Potenzial der nationalsozialistischen Sprache vorstellt.

Nach der Untersuchung der Morphosyntax innerhalb der Wörtergesamtheit vollzieht sich der Schritt zur Interpretation der Einzeltexte, die textuellen Bedeutungsmustern zugeordnet werden sollen.

Die Analyse wird dann das Augenmerk auf das Gedankengut Adolf Hitlers lenken, dessen Hauptwerk "Mein Kampf" auch das Themengebiet um Kunst und Kultur behandelt.

Unter Einbeziehung von Tondokumenten werden hierbei einige Lieder als akustische Konkretionen vorgestellt, wodurch der Untersuchung eine zusätzliche Dimension gegeben wird.

1.2 Die Theorien [nach oben]

Da davon auszugehen ist, dass auf die nationalsozialistischen literarischen Äußerungen neben dem politischen auch ein sprachliches System Einfluss genommen hat, wird der Strukturalismus Ferdinand de Saussures herangezogen, der für die Darstellung grammatischer Zusammenhänge die Grundlage liefern soll. Das wissenschaftliche Weltbild dieses Theoretikers basiert auf der Annahme einer grundsätzlichen Zweigeteiltheit von Sprache. Die beiden in der Opposition 'langue' vs. 'parole' konstituierten Bestandteile offenbaren sich einerseits als das Regelwerk, das jeder Formulierung zugrunde liegt, andererseits als das durch sprachproduktive Vorgänge wirklich Hervorgebrachte.

Das Wortartenmodell der Grammatiken des Deutschen soll auch in dieser Analyse angewendet werden, neben der Theorie Leonard Bloomfields von der grammatischen Bedeutung, die eine neue Perspektive auf die Grammatik eröffnet.

Als Prinzip zur Gliederung des Wortschatzes nach Bedeutungen wird die Wortfeldtheorie Johannes Leo Weisgerbers vorgestellt.

Wie Wörter textuelle Zusammenhänge bilden, zeigt die Textlinguistik Roland Harwegs. Harwegs These nimmt die prozessualen Eigenschaften der Textsynthese in Augenschein, die als Ersetzung sich ähnelnder syntaktischer Elemente beschrieben wird.

Die Bewertung des Sprechens als Sprachanwendung soll nicht ohne die Vorstellung der Sprecher vonstattengehen. Dies wird durch Jürgen Habermas ermöglicht, dessen pragmatischer Ansatz grammatische Formen in den Kontext von Sprechsituationen stellt.

Die Musiksoziologie Theodor W. Adornos betrachtet die Konsumenten des Kulturgutes Musik. Hierdurch zeichnet sich die gesellschaftliche Funktion von Musik ab, was für die Analyse des NS-Liedgutes nützlich sein wird.

1.3 Die Quellen [nach oben]

Das Singen von NS-Liedern ist problematisch, die Beschaffung der Texte, insbesondere antiquarisch in zeitgenössischen Publikationen, schwierig|1| [zum Zurückgehen bitte Browserbutton verwenden]. Michael Jung hat in seiner Doktorarbeit|2| auf 476 DIN-A4-Seiten fast 1000 Liedtexte des Nationalsozialismus veröffentlicht. Hieraus stammt der Großteil der Lieder des Textkorpus.

Die zweite Quelle liegt im Internet.|3| Eine internationales Liedgut präsentierende Website bietet zu vielen Texten des Nationalsozialismus außerdem entsprechende historische Aufnahmen.

2 Der Textkorpus [nach oben]

Die Bestimmung von Korpora ist nicht unproblematisch. Bergenholtz/Mugdan thematisieren diesbezügliche Schwierigkeiten, als sie zur kontroversen Schreibung des Lexems 'Korpus' sich äußern und zu der hier symptomatisch auseinanderdriftenden Genuszuweisung:

Der Terminus 'Korpus' wird ... höchst uneinheitlich verwendet. Schon bei der Schreibweise herrscht keine Einigkeit: Während in diesem Band die eindeutschende Version mit 'K' gewählt wurde, findet man daneben auch 'Corpus' mit 'C' ... Das Genus schwankt ebenfalls: Neutrum überwiegt ..., zuweilen stößt man aber auch auf 'der Korpus' ... (BERGENHOLTZ/MUGDAN 1989, 141)|4|

Es kann nicht davon ausgegangen werden, dass Korpora den Untersuchungsgegenstand ersetzen können:

Eine Stichprobe kann dann als repräsentativ gelten, wenn sie hinsichtlich bestimmter Eigenschaften mit der Grundgesamtheit übereinstimmt, aus der sie stammt. Offenkundig läßt sich das nur dann feststellen, wenn über die Grundgesamtheit ebenso viel bekannt ist wie über die Stichprobe - womit es sich erübrigt, eine Stichprobe zu erheben. (BERGENHOLTZ/MUGDAN 1989, 146)

Da dem Anspruch auf Repräsentativität nicht nachgekommen werden kann, sollte die Stellvertreterfunktion des Korpus stattdessen über den Begriff der Exemplarität definiert werden:

[Es] scheint ... wenig sinnvoll, bei Textkorpora überhaupt von Repräsentativität zu sprechen - es sei denn, man bezieht sich auf eine klar definierte Grundgesamtheit ... Es bietet sich an, ... die Bezeichnung 'exemplarisch' zu verwenden ... (BERGENHOLTZ/MUGDAN 1989, 147)

Wie das Ziel der Beispielhaftigkeit als Kompromiss zugunsten der grundsätzlichen Durchführbarkeit von Korpusanalysen zu erreichen wäre, wird nicht verschwiegen:

Wenn es prinzipiell nicht möglich ist, ein für die Sprache L ... repräsentatives Korpus zu konstruieren ..., ... kann man statt der Menge aller zu L gehörigen Texte eine wohldefinierte Teilmenge als Grundgesamtheit wählen ... (BERGENHOLTZ/MUGDAN 1989, 147)

Für die Analyse nationalsozialistischen Liedgutes hieße das Folgendes: 'Die deutsche Sprache' enthält die Grundgesamtheit 'Nationalsozialistische Sprache' als Teilmenge. Der Korpus 'NS-Liedgut' ist hiervon wieder eine Teilmenge, die die Grundgesamtheit exemplarisch vertritt.

2.1 Die erste Umwandlung
2.1.1 Die Voraussetzungen [nach oben]

En séparant la langue de la parole, on sépare du même coup: 1° ce qui est social de ce qui est individuel; 2° ce qui est essentiel de ce qui est accessoire et ... accidentel. (DE SAUSSURE 1949, 30)

De Saussure polarisiert das Phänomen Sprache durch den Gegensatz 'langue' vs. 'parole', dem er die Gegensätze 'sozial' vs. 'individuell' sowie 'essentiell' vs. 'akzessorisch' (zusätzlich) bzw. 'akzidentiell' (zufällig) zuordnet.

La langue n'est pas une fonction du sujet parlant, elle est le produit que l'individu enregistre passivement; elle ne suppose jamais de préméditation, et la réflexion n'y intervient que pour l'activité de classement ... (DE SAUSSURE 1949, 30)

Da die 'langue' zur Gesellschaft gehört, hat der Einzelne keinen Einfluss darauf. Für den Sprecher ist dieses gesellschaftliche Produkt somit wie etwas ursprünglich Gegebenes, dessen Existenz sich nicht einem Zweck verdankt. Der Sprecher nimmt sie von daher in das eigene Bewusstsein auf, ohne gedankliche Anstrengungen aufzubringen (passive Einprägung), um sie dann allerdings im Rahmen der Vorgaben selbstständig durch Denkprozesse zu gliedern.

La parole est au contraire un acte individuel de volonté et d'intelligence, dans lequel il convient de distinguer: 1° les combinaisons par lesquelles le sujet parlant utilise le code de la langue en vue d'exprimer sa pensée personelle; 2° le mécanisme psycho-physique qui lui permet d'extérioriser ces combinations. (DE SAUSSURE 1949, 30/31)

Die 'parole' unterliegt der Willens- und Geisteskraft des Sprechers und besteht aus zwei Teilen: aus der Menge aller Äußerungen, die der Sprecher für die Manifestation seiner Gedanken gebraucht (Äußerung = Kombination aus Elementen des Systems 'langue'), sowie aus den psychischen und physikalischen Voraussetzungen für das Formulieren und Hervorbringen der Äußerungen.

La langue ... est un objet qu'on peut étudier séparément. Nous ne parlons plus les langues mortes, mais nous pouvons ... nous assimiler leur organisme linguistique ... c'est un système de signes. (DE SAUSSURE 1949, 31/32)

De Saussure kennzeichnet die 'langue' als ein 'System von Zeichen', das wissenschaftlich untersucht werden könne. Dies wird möglich, da dieses System ebenso wie die 'parole' als dessen Anwendung nicht abstrakt sei:

La langue n'est pas moins que la parole un objet de nature concrète ... Les signes linguistiques, pour être ... psychiques, ne sont pas des abstractions ... (DE SAUSSURE 1949, 32)

Veranschaulicht wird dies damit, dass Gedanken oder Assoziationen letztendlich im Gehirn des Menschen verortet sind:

[L]es associations ... sont des réalités qui ont leur siège dans le cerveau. (DE SAUSSURE 1949, 32)

Wenn das sprachliche System also nicht abstrakt ist, wird es auch fassbar ebenso wie jede konkrete Äußerung, die auf der Grundlage des Systems hervorgebracht wurde. Das nationalsozialistische Liedgut kann als konkrete Äußerung somit durchaus das zugrunde liegende System widerspiegeln.

2.1.2 Die Liste [nach oben]

Wenn das System eine unendliche Zahl von Äußerungen generieren kann, aber trotzdem in menschlichen Gehirnen als Orten der Datenverarbeitung Platz findet, kann ein nach wirtschaftlichen Prinzipien arbeitender Organismus für das Sprachsystem angenommen werden. Denkbar wäre die Verwaltung nicht aller Äußerungsmöglichkeiten, sondern die Speicherung sämtlicher verknüpfbarer Elemente. Diese Elemente zu sein, wird hier den Wörtern zugesprochen.

Der erste Schritt zur Beschreibung des Systems vollzieht sich als dessen Nachbau. Hierzu werden sämtliche lexematischen Einzelausdrücke des Korpus isoliert, d. h. aus ihrem aktuellen Kontext entfernt, um sogleich neu zusammengefügt zu werden. Die Ordnung, nach welcher der neue Zusammenhang sich dann richtet, soll die alphabetische sein.

2.1.3 Der Computer [nach oben]

Mithilfe des Computers wird der Textkorpus nun in eine Wörterliste konvertiert. Die Maschine, die nicht wie der Mensch über Sprachkompetenz verfügt, erkennt Wörter als Buchstabenketten (die sie zwar äußerlich lesen, inhaltlich aber nicht zuordnen kann) und identifiziert Wortanfang bzw. -ende an Unterbrechungen in der kontinuierlichen Schriftzeichenfolge. Wesentlich schneller und zuverlässiger als menschlicher Intellekt ermittelt der Rechner die Anzahl der einzelnen Segmente.|5|

2.1.4 Das Alphabet [nach oben]

Das alphabetisierte Corpus ist eine paradigmatische Anordnung von Wörtern. Die Umwandlung syntagmatischer Strukturen hat die systemähnliche Übersichtlichkeit des Untersuchungsgegenstandes zur Folge.

Das Alphabet muss nicht das Muster sein, das im Kopf der Sprachbegabten das Inventar an sprachlichen Ausdrucksmitteln ordnet. Allerdings könnte ein derartiges Ordnungskonzept als wahrscheinlich gelten, wenn man Nachfolgendes einwirft: Warum sollte das, was Individuen zur Orientierung in der Außenwelt entworfen haben, anderer Bauart sein als das Innere ihrer Persönlichkeit? Könnte sich der Sprecher in Wörterbüchern zurechtfinden, wenn die dort gesetzte Regelung nicht der Struktur seines intrapersonalen Lexikons gliche? De Saussures Vorstellung von der passiven Einprägung (s. 2.1.1) könnte hierfür angeführt werden ('La langue est le produit que l'individu enregistre passivement').

Das ABC ordnet alle Wörter nach einem einzigen (diese Beschränkung definiert die Ökonomie) Parameter: Das aus 26 Elementen bestehende lineare Ordnungsmuster systematisiert Syntagmen gemäß der Kontinuität 'nach A kommt B, usw.' bis in die Struktur jedes Wortes hinein.

2.2 Die zweite Umwandlung [nach oben]

Nun wird das Corpus erneut umstrukturiert, damit morphosyntaktische Betrachtungen durchgeführt werden können.

2.2.1 Die Tabelle [nach oben]

Alle Wörter des Corpus werden in eine Tabelle eingefügt. Der Bewegungsrichtung 'A nach Z' folgend, werden alle Ausdrücke herausgestellt und gezählt. Auf diese Weise kann die Wörterliste in einer Tabelle abgebildet werden, in der die Vorkommenshäufigkeit der Wörter nicht durch die Notierung sämtlicher Erscheinungen dargestellt wird, sondern Platz sparender mittels Angabe ihrer Anzahl.

Die Orthographie der Elemente des Tabellencorpus weicht im Hinblick auf Groß- und Kleinschreibung zugunsten der Wortartenmarkierung von der Schreibweise im Textkorpus ab, wenn die Wörter dort als nicht-substantivische Lexeme am Satzanfang stehen. Verb- und Adjektivformen mit Initial werden durch Kontrolle im Textkorpus auf Wortartenwechsel überprüft: Liegt Substantivierung vor, bleiben die betreffenden Lexeme in der Tabelle großgeschrieben, um der neuen Wortart zugerechnet werden zu können. Konstruktionen aus Vor- und Zunamen wie 'Adolf Hitler' oder 'John Bull' werden voneinander getrennt und als einzelne Substantive verstanden, nicht aber der Ortsname 'Loch Ness'.

2.2.2 Die Interpretation [nach oben]

Der Unterschied zwischen Tabellencorpus und Wörterliste liegt in der differenten Gestaltung der alphabetischen Einheiten. Während die Liste aus einzelnen Wörtern zusammengesetzt ist, besteht die Tabelle aus Zellen, in denen eine morphosyntaktische Vorauswahl stattgefunden hat, die bisweilen mehrere Wörter in eine Zelle fasst:

 
Feind   57
Feinde 3
Feinden  
Feindes  
Feindesland 5
feindlich'  
feindliche 2
feindlichen 2
feindwärts 2
 

In dieser Zelle befinden sich sämtliche im Corpus vorhandenen Realisationen des Morphems 'feind'. Über Wortartengrenzen hinweg sind in diesem Segment mittels Wortbildung mögliche Formen versammelt: der Wortstamm 'Feind' als Substantiv, 'Feindesland' als substantivisches Kompositum, 'feindliche' als Adjektiv und das Adverb 'feindwärts', beide entstanden durch Ableitung (Suffigierung).

Da die Wörter im Textkorpus Lieder als syntagmatische Zusammenhänge bilden, weisen flektierbare Formen Spuren von Kongruenz auf. Da das Corpus im Gegensatz zum Textkorpus keine Sätze mehr hat, kann auf den ersten Blick nicht immer entschieden werden, welche morphosyntaktischen Merkmale die unverknüpften Wörter aufweisen. Zur Bestimmung der Merkmale wird ein Blick in den Textkorpus als syntagmatischen Kontext dann notwendig.

Die Wortform 'Feind' könnte sowohl den Nom. Sg. als auch den Dat. Sg. sowie den Akk. Sg. markieren. Für die Form 'Feinde' wären vier Kennzeichen denkbar: Dat. Sg., Nom. Pl., Gen. Pl. oder Akk. Pl. Die Form 'Feinden' ist als Konkretisierung des Dat. Pl. eindeutig.

 
dein   13
deine 12
deinem 2
deinen  
eure 2
euren  
eurer  
ihr (Sg.) 6
ihr (Pl.) 5
ihre 8
ihrem  
ihren 4
mein 25
meine  
meiner  
mein'm  
sein 7
 
sein'    
seine 5
seinem 2
seinen  
unser 46
unsere 8
unserem 3
unseren 3
unserer  
unser'm 10
unser'n 17
uns're 36
uns'rem 2
uns'ren  
uns'rer 6
uns'res 3
 
 
dich   18
dir 32
euch 11
ihm 6
ihn 7
ihnen 3
ihr 7
mich 9
mir 10
sich 28
sie (Sg.) 6
sie (Pl.) 7
uns 121
 
du   56
er 20
es 86
ich 33
ihr 27
ihr's 4
sie (Sg.) 12
sie (Pl.) 51
wir 384
wir's 5
 

Die Vorauswahl vereinigt aber auch Formen unterschiedlicher Wortstämme, wenn sie aus demselben Lexem hervorgegangen sind, wie hier an einigen Pronomen zu sehen ist.

2.3 Das morphosyntaktische Inventar [nach oben]

Für die Analyse des morphosyntaktischen Potenzials werden die Elemente des Corpus nach grammatischen Kriterien inventarisiert: Zum einen werden sie den Wortarten zugeordnet, zum anderen werden ihre Bedeutungen untersucht.

2.3.1 Der Duden [nach oben]

Die Dudengrammatik präsentiert das Wortartenmodell, das die Wörter des Deutschen in acht Wortarten einteilt. Jede Wortart wird durch drei Merkmale gekennzeichnet. Die 'morphologischen' Merkmale bewirken eine Zweiteilung in 'flektierbare' und 'unflektierbare' Wortarten. Die 'syntaktischen' Merkmale beschreiben die grammatische(n) Funktion(en) jeder Wortart. Die 'semantischen' Merkmale gehen von der Wortbedeutung aus und werden in diesem Modell gemeinsam mit den 'pragmatischen' Merkmalen vorgestellt, die das sprachliche Handeln betreffen.

Hier nun das Wortartenmodell in der tabellarischen Übersicht des Dudens (DUDENREDAKTION, 1998, 88).

2.3.2 Leonard Bloomfield [nach oben]

Die kleinste bedeutungsunterscheidende Einheit auf grammatischer (syntaktischer) Ebene wird 'Taxem' genannt:

A simple feature of grammatical arrangement is a 'grammatical feature' or 'taxeme'. A taxeme is in grammar ... the smallest unit of form ... [A] taxeme, taken by itself, in the abstract, is meaningless. (BLOOMFIELD, 1956, 166)

Grammatische Bedeutung ergibt sich aus der Kombination von Taxemen, ist aber auch bei einzelnen Taxemen möglich:

[C]ombinations of taxemes, or ... single taxemes, occur as conventional grammatical arrangements, 'tactic forms' ... [A] tactic form with its meaning is a 'grammatical form' ... [T]he smallest meaningful units of grammatical form may be spoken of as 'tagmemes', and their meanings as 'episememes'. (BLOOMFIELD, 1956, 166)

Als Einheiten mit syntaktischer Struktur avancieren Taxeme oder ihre Verbindungen zu 'taktischen Formen', die unter Berücksichtigung ihrer Bedeutung als 'grammatische Formen' bezeichnet werden. Die kleinsten Einheiten unterscheiden hier nicht mehr nur Bedeutung, sie sind mittlerweile selbst bedeutungstragend als 'Tagmeme'. 'Episememe' beschreiben wiederum, sozusagen eine Ebene höher, die Bedeutung dieser kleinsten bedeutungstragenden Einheiten.

The tagmeme ... occurs with any lexical form and gives it a grammatical meaning (an episememe) ... (BLOOMFIELD, 1956, 166)

Ein Tagmem verleiht der lexikalischen Form (Lexem) grammatische Bedeutung, die durch ein Episemem repräsentiert wird.

The meaningful arrangements of forms ... constitute ... 'grammar' ... [T]here seem to be four ways of arranging linguistic forms.

(1) 'Order' is the succession in which the constituents of a complex form are spoken ...
(2) 'Modulation' is the use of secondary phonemes. Secondary phonemes ... appear ... in grammatical arrangements of morphemes[:] ... phoneme[s] of pitch ... phonemes of stress ...
(3) 'Phonetic modification' is a change in the primary phonemes of a form ...
(4) 'Selection' of forms contributes a factor of meaning because different forms in what is otherwise the same grammatical arrangement, will result in different meanings.
(BLOOMFIELD, 1956, 163/164)

Bloomfield setzt 4 tagmematische Kategorien:

  1. die 'Ordnung' als eine bestimmte Abfolge von Einheiten eines Zusammenhangs,
  2. die 'Modulation' in gesprochenen Äußerungen (z. B. 'Tonhöhe' oder 'Betonung'),
  3. die 'phonetische Modifikation' in gesprochenen Äußerungen (z. B. durch Elision bestimmter Phoneme),
  4. die 'Selektion' als die Auswahl bestimmter Formen innerhalb identischer grammatischer Zusammenhänge, wobei je nach Entscheidung für die eine oder andere Form die Bedeutung desselben Zusammenhangs verändert wird (z. B. werde ein 'Ausruf' als phonetisches Konstrukt entweder als 'Befehl' verstanden oder als 'Anruf', je nachdem ob als Form ein Verb im Imperativ oder ein Personenname eingeflochten wurde).

Obwohl Tagmeme explizit als syntaktische Größen eingestuft werden, erklärt Bloomfield sie über Begriffe der Phonetik/Phonologie. Da die Analyse Lieder als gesungene Texte untersucht, wird dieser Brückenschlag hier noch besonderen Nutzwert einbringen.

2.4 Die Statistik [nach oben]

Generell ist Homonymie als Kriterium bei der Wortartenklassifizierung zu beachten, wenn eine Erscheinung, die verschiedene Lexeme repräsentieren kann, dadurch auch verschiedenen Wortarten angehören könnte. Die fremdsprachlichen Äußerungen 'finis la guerre' und 'eviva, Duce' blieben bei der Klassifikation unbeachtet.

Und nun kommen die Ergebnisse der Datenerhebung:

 
Wörtergesamtheit
Verben 1951
Substantive 3307
Adjektive 1026
Artikel, Pronomen 2621
Adverbien 633
Partikeln 336
Präpositionen 1118
Konjunktionen 797
 

Die Mehrzahl aller Wörter des Corpus bildet mit 75 % die Gruppe der flektierbaren Wortarten, die zu einem guten Drittel aus Substantiven zusammengesetzt ist. Die Unflektierbaren zeichnen sich durch einen Überschuss an Präpositionen aus: Zu mehr als einem Drittel sind hier die unveränderlichen Wörter mit der Fähigkeit der Rektion versammelt.

Die Reziprozität von Wörtern in grammatischen Verknüpfungen als sprachlich sinnvollen Arrangements, die mit morphologischer Veränderung flektierbarer Lexeme einhergeht, stützt sich auf die Rektion als die Kraft der Verben, Adjektive und Präpositionen, benachbarte Elemente des Syntagmas der eigenen Gestalt anzupassen. Während die Präpositionen unwandelbar sind, können Verben und Adjektive selbst im Fokus eines Wortes stehen, an das sie sich angleichen müssen.

2.5 Die Unflektierbaren
2.5.1 Die Präpositionen [nach oben]

Da jeder Kasus eine spezifische grammatische Funktion erfüllt, kann die Untersuchung der Fälle Tendenzen des morphosyntaktischen Potenzials aufzeigen. Dies soll exemplarisch an den Präpositionen vorgeführt werden:

Die Rektionsfähigkeit der Präpositionen bestimmt die Kasus, die im Syntagma durch Präpositionen hervorgerufen werden. Daher kann die Verteilung der durch Präpositionen regierten Kasus über die Bestimmung des zahlenmäßigen Vorkommens der Präpositionen festgestellt werden, wenn die Rektionsfähigkeit auf einen einzigen Kasus festgelegt ist. Für in der Rektion ambivalente Präpositionen muss die tatsächliche Kasusverteilung im Syntagma herausgestellt werden.

 
Präpositionen
in 268
zu 140
an 95
für 95
auf 94
mit 91
von 87
durch 33
über 33
nach 31
ge(ge)n 27
aus 26
bei 25
 

In dieser Tabelle finden sich die zahlreichsten Präpositionen des Corpus, angeordnet nach Häufigkeit. Die in der Rektion ambivalenten Präpositionen 'in', 'an', 'auf' und 'über' regieren entweder den Akkusativ oder den Dativ. Sollte die oben zitierte These von Bergenholtz und Mugdan zutreffen, dass eine Auswahl aus einer Gesamtheit diese Ganzheit exemplarisch widerspiegelt, kann nun am Beispiel des 33-mal erscheinenden Lexems 'über' für alle in der Rektion entsprechend ambivalenten Präpositionen die Aufteilung von Akkusativ und Dativ dargelegt werden.

Im Textkorpus lässt sich erkennen, wie sich die Kasus des Akkusativs und des Dativs streuen, die durch die Präposition 'über' hervorgerufen werden: 22-mal wird in den Kontexten des gesuchten Lexems der Akkusativ augenscheinlich und 11-mal der Dativ, womit der Akkusativ mit zwei Dritteln dominiert.

Dieses 2:1-Verhältnis von Akkusativ und Dativ wird auf die Gesamtheit der ambivalenten Präpositionen 'in', 'an', 'auf' und 'über' übertragen. Der Akkusativ würde in diesem Gesamt demnach 323-mal regiert und 167-mal der Dativ. Die häufigsten Präpositionen 'für', 'durch' und 'gegen' regieren den Wenfall obligatorisch, d. h. 155-mal. Insgesamt würde der Akkusativ im Gravitationsfeld aller oben genannten Präpositionen also 478-mal auftauchen. Der Wemfall wird mittels der in der Rektion eindeutigen Verhältniswörter 'zu', 'mit', 'von', 'nach', 'aus' und 'bei' 400-mal eingefordert. Als Gesamtsumme ergäbe sich für das Vorkommen des Dativs 567. Verglichen mit den 46 % des Akkusativs wäre der Dativ mit 54 % leicht in der Überzahl, was einem ausgeglichenen Verhältnis gleichkommt.

Die regierende Funktion der Präpositionen als grammatische Bedeutung darzustellen, kann mittels des Bloomfield'schen Semantikbegriffes erfolgen.

In der ambivalenten Rektion 'Akkusativ' vs. 'Dativ' würde die Satzaussage als Ergebnis syntaktischen Zusammenspiels je nach Entscheidung für den einen oder anderen Fall entweder durch das Kennzeichen 'statisch' (Dativ) oder das Charakteristikum 'dynamisch' (Akkusativ) konnotiert.|6| Über den Begriff des Tagmems der Selektion kann diesem Oppositionspaar als semantischer Einheit grammatischer Stellenwert beigemessen werden, indem die Präpositionen als Elemente dieser Opposition verstanden und als Taxeme hergeleitet werden:

Eine Präposition wird als Taxem von einem Tagmem der Selektion bestimmt, wenn ihre Rektion mindestens zweiwertig ist. Wird, wie oben vorgeführt, entweder der 3. oder der 4. Fall auf nachfolgende Ausdrücke projiziert, beschränkt sich der Spielraum der Selektion auf zwei Möglichkeiten. Welcher der beiden im Syntagma möglichen Kasus tatsächlich auftritt, wird durch das Tagmem der Selektion 'Dativ' vs. 'Akkusativ' entschieden, wodurch das Taxem entweder in das (Teil)episemem 'statisch' oder aber in das (Teil)episemem 'dynamisch' eingeordnet wird.

Von demselben Episemem 'statisch' vs. 'dynamisch' werden die in der Rektion eindeutigen Präpositionen bestimmt, die sich nicht über das Tagmem der Selektion, sondern über das Tagmem der Ordnung 'Dativ' vs. 'Akkusativ' differenzieren.

2.5.2 Die Konjunktionen [nach oben]

Nach den Präpositionen soll die Aufmerksamkeit nun den Konjunktionen gelten. Die Konjunktionen ähneln den Präpositionen, die als Elemente grammatischer Funktion keine lexikalische Bedeutung tragen. Im Unterschied zu den Präpositionen verbinden die zur Rektion nicht fähigen Konjunktionen nicht nur einzelne Wörter und Wortgruppen, sondern auch Sätze. Auch diese Unflektierbaren können tagmematisch analysiert werden. Hier zunächst die Überschau der Bindewörter mit den zahlreichsten Erscheinungen im Text:

 
Konjunktionen
und 481
wenn 65
bis 59
denn 40
zu 28
als 20
daß 18
wie 17
 

Als durch das Tagmem der Ordnung beeinflusste Taxeme bestimmen Konjunktionen die Beschaffenheit des Syntagmas, indem sie in beide Richtungen wirken: Sowohl die vorangehenden als auch die nachfolgenden Taxeme werden mit den Bindewörtern verbunden.

Die Untersuchung der grammatischen Bedeutung der Konjunktionen wird exemplarisch an den Formen 'als' und 'wie' durchgeführt:

 
Die Konjunktionen 'als' vs. 'wie'
Satzteilkonjunktion 11 9
Vergleichende Konjunktion 0 6
Temporale Konjunktion 7 0
Inhaltssatzkonjunktion 2 2
 

Die Gegenüberstellung dieser beiden Bindewörter ist aufgrund der analogen Verwendung zweckmäßig und aufgrund der vergleichbaren Häufigkeit: Im Text ist 'als' 20-mal vertreten und 'wie' 17-mal und beide Konjunktionen werden von vier grammatikalisch möglichen Verwendungsweisen auf jeweils drei verschiedene Weisen gebraucht, wobei sich zwei Funktionen überschneiden und jeweils eine nur einer Konjunktion vorbehalten bleibt.

Im Einsatzbereich der Satzteilkonjunktionen und der Inhaltssatzkonjunktionen finden sich beide Formen und auch das Verhältnis zwischen den gemeinsamen Anwendungsarten ist hier mit ca. 5 : 1 nahezu identisch. Übereinstimmend verbleiben jeder Form ca. 35 % für die andere Gebrauchsweise, die beide Ähnlichen voneinander trennt: Während 'als' im Syntagma zeitliche Aspekte signalisiert als temporale Konjunktion, vermittelt 'wie' als vergleichende Konjunktion modale Gesichtspunkte.

Nun werden die Funktionsbereiche dieser beiden Konjunktionen anhand des syntagmatischen Kontextes betrachtet, um die Analyse der Tagmeme (der Ordnung) und der Episememe zu ermöglichen. Pro Funktionsbereich soll jeweils ein Kontext vorgeführt werden:

Voran Kameraden der Division,
wir führen den Kampf bis zum Siege,
als Fallschirmjäger der deutschen Nation
vernichten den Feind wir im Kriege.
(760)|7|

Die Hallen, die Brücken und Schienen
zerbersten, zersplittern wie Glas,
wenn wir uns're Hebel bedienen
und der Führer am Steuer gibt Gas.
(861/862)

Die Satzteilkonjunktionen verketten keine (Teil)sätze miteinander, sondern Wörter als Elemente von Sätzen. Die Taxemkombination 'als Fallschirmjäger' prädiziert das pronominale Taxem 'wir'. Entspricht die von 'als' eingeleitete Prädikation einer Gleichsetzung, so stellt auch die Konjunktion 'wie' im Beispiel einen vergleichenden Bezug her. Hier vollzieht sich die Prädikation nicht unmittelbar. Die Taxemkombination 'wie Glas' prädiziert zunächst die Verben 'zerbersten', 'zersplittern' im Syntagma 'zerbersten, zersplittern wie Glas'. Gleichzeitig werden dadurch die Substantive im Syntagma 'die Hallen, die Brücken und Schienen' prädiziert. Dieses Syntagma bildet das Subjekt des Satzes, das durch das Prädikat des Satzes 'zerbersten, zersplittern' bestimmt wird.

Zwecks genauer Erklärung der Inhaltssatzkonjunktion als Funktionsbereich werden alle diesbezüglichen Kontexte der beiden Konjunktionen 'als' und 'wie' vorgeführt (jeweils zwei Kontexte):

Und dann ist es mir, als spräch' es laut:
"Denkst du auch an deine kleine Braut? [...]"
(aufderhe.html)

Der dritte Wirbel ist leis' und lind,
als wiegt' eine Mutter in Schlaf ihr Kind.
(dertodre.html)

Es ist zu sehen, dass Inhaltssatzkonjunktionen Haupt- und Nebensatz verbinden. Allerdings werden keine unterschiedlichen Aussagen aneinandergebunden: Der Hauptsatz erhält durch die Aussage des Nebensatzes entweder eine besondere Färbung oder wird als an sich inhaltsleeres, rein syntaktisches Rahmenkonstrukt mit dem notwendigen Inhalt gefüllt. Die der Darstellung persönlicher Wahrnehmung dienende Wendung 'und dann ist es mir', die im ersten Kontext den Hauptsatz bildet, ist zwar in syntaktischer Hinsicht grammatisch, bliebe isoliert aber unverständlich.|8| Die Inhaltssatzkonjunktion und der Verbmodus (Konjunktiv II) semantisieren den Inhalt des Hauptsatzes als 'potenziell' oder 'hypothetisch', wodurch der Sprecher den Geltungsanspruch seiner persönlichen Wahrnehmung relativiert.

Die grauen Stürme brüllen und tosen.
Wie wild rast das tosende Meer.
(853)

Die Hand her, ihr Brüder, wie sind wir uns nah!
Wir sind von der schwarz-braunen Motor-SA.!
(534)

Obwohl in diesen Kontexten die Syntagmen um Taxem 'wie' keine Inhalte anderer syntaktisch eigenständiger Bildungen darstellen oder abwandeln, führen sie den dort gesetzten Sinn weiter. Die Konjunktion reflektiert die frühere Aussage und integriert sich in die neue, die als Kommentierung des Vergangenen die Ursprungsproposition rückwirkend dem Bedeutungsraum der Potenzialität zuordnet. Die Taxeme konstituieren hierbei den Indikativ nicht, um den Wahrheitswert der Aussage zu steigern.

Die Äußerung 'wie wild rast das tosende Meer' muss als Inhaltssatz klassifiziert werden, da ihr Sprecher bzw. die erzählende Instanz einer persönlichen Einschätzung Ausdruck verleiht. Vermittlungsziel ist nicht die Darstellung der Proposition als 'tatsächlich', sondern die Thematisierung einer individuellen Auffassung. Dies deckt sich mit der Metaphorik des voranstehenden Syntagmas 'die grauen Stürme brüllen und tosen'. Die Funktion des Indikativs ist hier nicht, die Irrealität der Aussage zu entschärfen.

Die Taxemkombination 'wie wild' trägt den Akzent im Satz, um als Ausdrucksmittel persönlicher Empfindungen die Vorstellungswelt des Sprechers zu thematisieren. Dies wird allerdings nur durch die gleichzeitige Voranstellung der Taxemkombination im Satz möglich, der sich dadurch einem Ausruf annähert.

Im zweiten Kontext der Inhaltssatzkonjunktion 'wie' transportiert die im (Teil)satz ebenfalls vorangestellte sowie betonte Taxemkombination 'wie sind' auch eine sprecherseitige Empfindungsäußerung. Die Wirklichkeitsbedingungen der Aussage 'wir sind uns nah' werden durch die elliptische Aufforderung 'die Hand her' von vornherein als 'hypothetisch' konsolidiert. Das pluralisierte Sprecher-Ich möchte durch einen realen Händedruck die Idee von der Gemeinschaft in der Physis bestätigt wissen. Die Geste soll als sichtbarer Akt Unsicherheiten der persönlichen Bewertung beseitigen und Vorstellungen in der Realität manifestieren.

Als die gold'ne Abendsonne
sandte ihren letzten Schein,
zog ein Regiment von Hitler
in ein kleines Städtchen ein.
(667 u. alsdiego.html)

Temporale Konjunktionen hierarchisieren als unterordnende Konjunktionen Teilsätze und stehen am Beginn des Nebensatzes, den sie dem Hauptsatz subordinieren. Im vorliegenden Kontext des als temporale Konjunktion eingesetzten Taxems 'als' wird die Relation der Gleichzeitigkeit ausgedrückt. Um an alle chronologischen Beziehungen zu denken, die zusammen mit dem Tempus durch diese Bindewörter gestaltet werden können, wäre zweitens die Vorzeitigkeit zu nennen und drittens die Nachzeitigkeit. In allen Kontexten drückt die temporale Konjunktion 'als' im Textkorpus Gleichzeitigkeit aus. Dies auch im folgenden Sonderfall:

Heil! Zeiten wie einst, als Körner und Jahn
die Ahnen zu Taten begeistert!
(534)

Die Konjunktion bezieht sich hier auf das Subjekt in der für einen Hauptsatz stehenden Ellipse 'Zeiten wie einst' mittels eines relativischen Satzanschlusses. Die Konjunktion kann substituiert werden durch z. B. die Kombination aus Präposition und Relativpronomen 'in denen', wodurch das Substantiv 'Zeiten' in den Erfahrungsbereich der Räumlichkeit verschoben wird. Dieser Ort 'Zeiten' ist durch die Gleichsetzungspartikel 'wie' und das Temporaladverb 'einst' der Vergangenheit zugeordnet. Der Relativsatz erzeugt einen gleichzeitigen Bezug, da er die Eigenschaften dieses Ortes vorstellt, die auf der gleichen chronologischen (vergangenen) Ebene wie dieser Raum Geltung haben.

So einsam und verlassen, wie dieses Blümlein stand,
so standen wir im Leben, bis Herz zu Herz sich fand.
(ganzeins.html)

Wie die temporalen Konjunktionen gehört das Taxem 'wie' als vergleichende Konjunktion zu den subordinierenden Konjunktionen. Betrachtet man das vorliegende Satzgefüge, stößt man zweimal auf das Modaladverb 'so'. Diese beiden Adverbien der Art und Weise stehen als Korrelate im (rekonstruierten) Hauptsatz 'Einsam und verlassen standen wir im Leben' in Wechselwirkung mit der vergleichenden Konjunktion 'wie' des zwischengeschalteten Nebensatzes 'wie dieses Blümlein stand'. In der vorangestellten Wortgruppe 'so einsam und verlassen' verweist 'so' kataphorisch auf den Konjunktionalsatz, in dem sich daran anschließenden selbstständigen Teilsatz 'so standen wir im Leben' anaphorisch.

Für die Formen 'als' und 'wie' sind Kontexte aufgezeigt worden, in denen diese Wörter eine syntaktische Rolle als Konjunktion übernommen haben. Nun können die entsprechenden Tagmeme (der Ordnung) bestimmt werden sowie die dazugehörigen Episememe:

Dem syntaktischen Wirkungszusammenhang um die Satzteilkonjunktionen 'als' und 'wie' übersteht das Tagmem der Ordnung 'Konnexion', das Elemente der Syntax (Taxeme) innerhalb eines einzigen Satzes verbindet. Das konnektierende Taxem (Konjunktion) koppelt die syntaktischen Werte benachbarter Taxeme, zwischen beiden Gegenseiten vermittelnd.|9| Im Episemem 'Prädikation' setzte die Satzteilkonjunktion 'als' Begriffe gleich, 'wie' hob Ähnlichkeiten hervor.

Gesteuert durch das Tagmem der Ordnung 'Präordination' fassen die Inhaltssatzkonjunktionen 'als' und 'wie' die Propositionen benachbarter Teilsätze/Syntagmen zusammen.

Als Taxem ist die Inhaltssatzkonjunktion 'wie' auch in das Tagmem der Modulation 'Betonung' eingebunden, das diejenigen Taxemkombinationen in der Äußerung akzentuierte, die aus der Inhaltssatzkonjunktion und dem darauf folgenden Taxem|10| synthetisiert wurden.

Die Bedeutung des Tagmems der Ordnung 'Präordination' offenbart sich im Episemem 'Expression', das im Falle von 'wie' auch das Tagmem der Modulation 'Betonung' steuert: Der Sprecher thematisiert sich selbst, als er in der Äußerung seiner persönlichen Wahrnehmung Ausdruck verleiht.

Temporale wie vergleichende Konjunktionalsätze sind Verhältnissätze, deren Konjunktionen Inhaltsbeziehungen herstellen, die durch die Rangfolge der Teilsätze bedingt sind. Das Tagmem der Ordnung 'Subordination' steuert das Nacheinander von über- und untergeordneten Taxemkombinationen. Das Episemem 'temporale Relation' ist dreiteilig und semantisiert Aussagen hinsichtlich Gleichzeitigkeit, Vorzeitigkeit oder Nachzeitigkeit. Das Episemem 'modale Relation' semantisiert Propositionen, die zueinander in Beziehung stehen, hinsichtlich der Art und Weise.

Da die Analyse der Konjunktionen auf Exemplarität basieren kann, werden die über 'als' und 'wie' erzielten Resultate zur Tagmemstruktur für die Analyse der verbleibenden Konjunktionen verwendet.|11|

Das Tagmem der Ordnung 'Subordination' umfasst alle aus unterordnenden Bindewörtern gebildeten Taxeme. In diese Gruppe fallen 7 Erscheinungen der Form 'als' (temporale Konjunktion) und 6 Erscheinungen der Form 'wie' (vergleichende Konjunktion). Die Form 'bis' (temporale Konjunktion) gehört mit 59 Erscheinungen ebenfalls hierher. Obwohl nicht alle Kontexte dieser Form geprüft wurden, passte sie bei Homonymie auch als temporale Präposition in dieses Tagmem, da mittels 'bis' immer (nachzeitige) Proportionen thematisiert werden. Potenziell 'subordinierend' sind zudem 'wenn' (temporal oder konditional) und 'daß' (final oder konsekutiv). Beide Bindewörter können aber auch als Inhaltssatzkonjunktion existieren, d. h. 'präordinierend' sein.

Die Taxeme 'als' und 'wie' der Tagmeme der Ordnung 'Subordination' vs. 'Präordination' verteilen sich zu ca. 75 % auf 'subordinierte' Sätze (temporale bzw. vergleichende Verhältnissätze) und zu 25 % auf 'präordinierte' Sätze (Inhaltssätze).

Summiert man nun sämtliche Erscheinungen unterordnender Konjunktionen, müssen die Häufigkeit bezeichnenden Zahlen 49 (75 %) für 'wenn' (65-mal), 59 für 'bis', 7 für 'als', 14 (75 %) für 'daß' (18-mal) und 6 für 'wie' addiert werden. Demzufolge sind insgesamt 135 der häufigsten Bindewörter des Corpus subordinierend, d. h. knapp 19 %. Dieses knappe Fünftel unterstünde also dem Tagmem der Ordnung 'Subordination' sowie dem Episemem 'Relation'.

Für die Berechnung des Anteils des Tagmems der Ordnung 'Präordination' werden jetzt die lexematischen Erscheinungen der Inhaltssatzkonjunktionen zusammengezählt. Die Addition von 16 (25 %) für 'wenn', 2 für 'als', 4 (25 %) für 'daß' und 2 für 'wie' ergibt als Summe 24, d. h. gut 3 % der zahlreichsten Konjunktionen wären in Inhaltssätzen anzusiedeln, deren Bedeutung als Taxemkombinationen das Episemem 'Expression' bestimmt.

Im Gesamt der häufigsten Konjunktionen des Corpus gibt es als Satzteilkonjunktionen nur 'als' und 'wie'. Somit kann das Auftreten der Elemente dieses Funktionsbereiches über die Vorkommenshäufigkeit dieser beiden Formen erläutert werden. Mit exakt 20 Erscheinungen (11-mal 'als' + 9-mal 'wie') füllt die Satzteilkonjunktion knapp 3 % im Gesamt der meistverwendeten Bindewörter des Corpus aus. Dies wäre dann auch der Anteil des Tagmems der Ordnung 'Konnexion' sowie des Episemems 'Prädikation'.

Das Taxem 'und' ordnet als koordinierende (kopulative) Konjunktion Taxeme/Taxemkombinationen nebeneinander, die hierdurch gleichrangig werden. Auch die kausale Konjunktion 'denn' koordiniert: Mit insgesamt 521 Erscheinungen (481-mal 'und' + 40-mal 'denn') motiviert das Tagmem der Ordnung 'Koordination' gut 71 % der Taxemkombinationen mit konjunktionaler Beteiligung. Die grammatische Bedeutung repräsentiert hierbei das Episemem 'Balance', das die Ausgewogenheit der verknüpften Elemente anzeigt.

Die restlichen 4 % nimmt die Infinitivkonjunktion 'zu' ein, die im Corpus insgesamt 28-mal vorhanden ist und die Grundform des Verbs den Syntagmen anschließt. Das hierbei wirksame Tagmem der Ordnung 'Konjunktion' kann auch Elemente ohne syntaktische Merkmale ins Syntagma einfügen. Im Episemem 'Universalität' wäre die 'Konjunktion' von Infinitivkonjunktion und Infinitiv eine Möglichkeit, grammatisch indifferente Elemente syntaktisch zu verknüpfen.

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